96 Aus der allgemeinen Erdkunde.
hervortreten wie die Runzeln auf einer Apfelsine, so müssen die senkrechten
Erhebungen ans dem Reliefglobus und sonstigen Reliefs bedeutend über-
trieben (überhöht) dargestellt worden, damit sie deutlich wahrnehmbar sind.
Man spricht daher wohl von einem Längenmaßstab und einem Höhen--
Maßstab. — Wenn man die Höhenerscheinungen eines Bodenraums durch
Zeichnung so darstellt, als wenn sie senkrecht von oben nach unten durch-
schnitten sind, so entsteht das Profil (Längs- oder Querschnitt) des betreffenden
Landes. Auch bei diesem ist eiue Überhöhung notwendig. Das Profil vom
Deutschen Reiche s. S. 73! Vergl. die Profilzeichnnng auf S. 7!
8. Das Meer. 1. Die Tiefe des Meeres ist sehr verschieden. (Die
größte bis jetzt ermittelte Tiefe befindet sich im Großen Ozean und beträgt
über 8 500 m (Zugspitze 3 000 m). Hiegegen sind Ostsee (260 m) und
Nordsee (800 m) sehr flache Becken. —Der Meeresboden ist viel weniger
nneben, als der des Festlandes. Ihm fehlen die zerklüfteten Berge und
Thäler desselben. Wohl aber finden sich auch hier Hochebenen (Rücken) von
beträchtlicher Höhe und gewaltiger Ausdehnung und große Tiefebenen (Becken).
Reichen die unterseeischen Erhebungen bis nahe an die Oberfläche des Wassers,
so bilden sie Untiefen, Klippen oder Sandbänke. Ragen sie über die
Oberfläche empor, so sind es Inseln. Zahlreiche Untiefen hat die Ostsee.)
2. Das Meerwasser ist bittersalzig und ungenießbar. In
Binnenmeeren, in welche zahlreiche Flüsse münden, ist der Salzgehalt geringer
als im offenen Ozean. So hat die Ostsee viel geringeren Salzgehalt, als
der atlantische Ozean und die mit demselben offen in Verbindung stehende
Nordsee. Binnenmeere in wärmeren Gegenden und mit wenig Flußwasser-
zufuhr weisen einen starken Salzgehalt auf, wie z. B. das Mittelmeer. —
Die Farbe des Meerwassers ist iu der Regel grüulich-blau, wechselt aber
je nach der Tiefe des Wassers und unter Einwirkung anderer örtlicher Ver-
Hältnisse. •— Es ist schwerer als Flußwasfer, friert nicht so leicht und hat
eine größere Tragkraft als Fluß- und Seewasser.
3. Die Bewegung des Meeres ist dreifach: Welleubeweguug, Ge-
zeiteu und Meeresströmungen. Die Wellenbewegung entsteht durch den
Druck des Windes auf die Oberfläche des Wassers. Die Gezeiten be-
obachtet man an der Küste der Ozeane und solcher Meere, welche mit ihnen
in breiter Verbindung stehen (Nordsee). Hier findet zweimal täglich ein
Anschwellen des Meerwaffers, die Flut, und eiu Zurücktreten desselben, die
Ebbe, statt. Steigen und Fallen dauern je 6'/* Stunde, so daß jeden
folgenden Tag die Gezeiten etwa 1 Stuude später für dieselbe Küstengegend
beginnen als am vorhergehenden. ■—■ In Binnenmeeren (Ostsee) ist Ebbe und
Flut kaum wahrnehmbar. — Wo das Meerwasser sich dauernd uach einer
bestimmten Richtung hin fortbewegt, redet man von einer Meeresströmung.
Meeresströmungen aus den Äquatorgegenden führen warme Wassermassen mit
sich uach kälteren Breiten, wie z. B. der Golfstrom, der die Küsten von
Nordwesteuropa bespült. Die kalten Meeresströmungen führen dagegen kaltes,
grünliches Wasser, oft auch Eismassen in die niederen Breiten.
4. Die Tierwelt des Meeres ist außerordentlich mannigfaltig. Zähle Seetiere
auf! — Eine bekannte Pflanze des Meeres ist der Seetang.
5. Das Meer ist die Quelle der Feuchtigkeit, die, ans ihm aufsteigend, sich über
die Länder als Niederschlag verbreitet. Durch die Niederschläge und Seewinde
beeinflußt das Meer das Klima der angrenzenden Länder sehr wesentlich (Nordsee-
küsten). — Es ist die große Handelsstraße zwischen den entlegensten Erdteilen, der
Hauptträger des Welthandels und Weltverkehrs.
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
Der Heimatsort. 5
in der Richtung des Flußlaufes. Warum? — Gehen wir dem
Fluuaufe entgegen, so bewegen wir uns flußaufwärts, während^das
Wasser hinab, also flußabwärts fließt. Alle Gebäude, Bäume, Brücken u. s. w.,
welche von uns flußaufwärts zu finden find, liegen oberhalb unseres Stand-
ortes; Gegenstände, die sich flußabwärts von uns vorfinden, liegen unter-
halb desselben.
Das Wasser des Flusses gefriert im Winter nicht so leicht, als das des Teiches
oder Seees. Nur starker Frost bezwingt die Bewegung des Wassers an seiner Ober-
fläche. Wenn nun im Frühjahr die warme Sonne Eis und Schnee auf den um-
liegenden Straßen und Feldern schmilzt, dann kann das Flußbett unseres Flusses wohl
manchmal diese Wassermassen nicht alle fassen. Das Wasser steigt immer höher, tritt
wohl gar über seine Ufer und überschwemmt die anliegenden Straßen. Dies
Hochwasser kann großen Schaden anrichten. Weise dies nach! Im Hochsommer
dagegen steht das Flußwasser niedrig zwischen seinen Ufern. Dann hat der Fluß
niedrigen Wasserstand.
Welchen Zweck hat die Überbrückuug des Fluffes? Zähle die Brücken
im Heimatsorte! Beschreibe die größte derselben! — Nenne Fahrzeuge,
welche die Wasserstraße des heimatlichen Flusses benutzen! Beschreibe
eiueu Kahn, ein Floß, ein Segelboot, einen Dampfer! Beschreibe das Fluß-
user au eiuer Ausladestelle! Welche Waren werden hier aus- und eingeladen?
Wie siehts auf einem Personendampfer aus? Erzähle etwas von dem Ge-
werbe des Fischers!
Planzeichnung der Flußstrecke des Heimatsortes an der Schul-
Wandtafel! —-
e) Ein sehr wichtiges Verkehrsmittel für unsere Stadt ist die Eisen-
bahn. Die Straße nach dem Bahnhof ist sehr belebt. Erzähle davon!
Das Bahnhofsgebäude ist ein großes Haus mit Arbeitsräumen
für die Bahnbeamten, Packräumen für das Reisegepäck, mit einem Post-
und Telegraphenamt, mit Wartesälen für die reisenden Leute. Am
Schalter kauft man den Fahrschein und tritt auf deu Bahnsteig hinaus,
um einzusteigen.
Der Zug steht auf der Bahnstrecke. Dies ist die Fahrbahn, die
„Eisenbahn", auf welcher sich die Bahnwagen sehr schnell bewegen. In der
Regel zieht sich die Bahnstrecke auf einem Bahndamm hin. In bestimmten
Zwischenräumen sind an derselben Wärterhäuschen erbaut, in denen die Bahn-
Wärter sich, aufhalten oder wohnen.
Der Eiseubahuzug besteht aus eiuer laugeu Wagenreihe, die von
der Lokomotive gezogen wird. Die gleiche Kraft, welche in der Küche beim
siedenden Wasser den Topfdeckel hebt, der Wasserdampf, wird iu großer
Menge zum Ziehen des ganzen Eisenbahnzuges benutzt. Wasser, Steiukohleu
und Feuer, wie daheim, in der Küche, gehören dazu, diese treibende Kraft zu
bereiten. Das thut der Heizer, während der Zugführer den ganzen
Zug führt. Die Personenwagen dienen zur Beförderung der Personen,
die Güterwagen zum Fortschaffen von Waren und Gütern. Dieselben
werden vom Güterschuppen aus verladeu.
Ms vor 60 Jahren gab es noch keine Eisenbahnen. Da mußte man selbst nach
den entferntesten Orten mit Fuhrwerk oder mit dein Postwagen reisen. Dies war sehr
teuer urtd_ dauerte oft mehrere Wochen lang und noch länger. Die Waren wurden
durch große Lastwagen fortgeschafft; Briefe erhielt man spät und unregelmäßig. —
Heute ist bic§ ganz anders. Mit der Eisenbahn kann man für billiges Geld in
wenigen stunden viele Meilen weit reisen. Die Waren können aus unserer Stadt
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Das Heimatsland. 13
oder Horizont, Die kreisförmige Erdfläche heißt Horizoutfläche oder
Horizontebene.
Horizontbeobachtungen. Von einer Anhöhe aus reicht unser
Auge bereits etwas weiter. Unser Horizont ist größer geworden. Je höher
unser Standpunkt ist, desto größer ist unser Horizont. Er
erweitert sich also bei erhöhtem Standpunkte. Je niedriger wir stehen, desto
kleiner ist er. Auch richtet sich die Größe des Horizouts uach der Sehweite
unseres Auges. — Zeige Ostpunkt, Westpunkt, Nordpnnkt und Südpunkt am
Horizonte! Bestimme die Nebenhimmelsgegenden von deinem Standpunkt aus?
Wenn wir uusere Schritte uach irgend einem Punkte des Horizontes
lenken, um an die Grenze zu gelaugeu. wo Himmel und Erde zusammen zu
stoßen scheinen, so bemerken wir doch bald, daß über uns das Himmelsgewölbe
nicht niedriger wird. Immer haben wir über nns den Scheitel-
Punkt. Der Horizont rückt immer mehr hinter die Gegenstände, welche vom
ersten Staudpunkt aus gesehen an der Grenze unseres Gesichtskreises lagen.
Der Horizont verändert sich mit unserm Standpunkt. Das
Himmelsgewölbe ruht nicht in Wirklichkeit auf der Horizontlinie; der Himmel
wölbt also nur scheinbar über der Erdfläche. Unser Auge täuscht nns.
Auch mancherlei andere Erscheinungen belehren uns, daß die Wirklichkeit vieler
Vorgänge oft nicht mit unfern Wahrnehmungen übereinstimmt. In stürmischer Nacht
scheint der Mond mit rasender Eile durch die zerrissenen Wolkenmassen zu schießen.
Wir überzeugen uns leicht, daß in Wirklichkeit die Wolken vom Winde in entgegen-
gesetzter Richtung getrieben werden. - Manchmal find wir uns über die Richtung
des Zuges oder des Dampfers auf dem wir fahren, auf Augenblicke im Unklaren.
Führe andere Beispiele an!
Alle diese und auch noch andere Vorgänge beweisen uns, daß viele unserer
Wahrnehmungen auf Sinnestäuschungen beruhen, und daß die Wirklichkeit mancher
Erscheinungen am heimatlichen Himmel ganz anders ist, als unser Auge oder unser
Gefühl es uns lehren.
Iii. Das Heimatsland (Provinz).
Das Heimatsland im allgemeinen nach der Kartet)
1. ^age. Uusere heimatliche Stadt mit ihrer Umgebuug gehört zum
deutschen Vaterlande, welches unser Kaiser beherrscht. Dieser wohnt in der
großen Stadt Verlin, welche etwa in der Mitte des Deutschen Reiches liegt.
Welche Eisenbahnrichtung führt von unserer Stadt aus uach Berliu? Nach
welcher Richtung müßte ich also reisen, um dorthin zu gelangen? Alle
Gegenden, von denen aus man in wenigen Stunden Berlin erreichen kann,
liegen im Innern Deutschlands; alle Orte, vou deueu aus man längere Zeit,
etwa einen halben Tag oder wohl gar einen ganzen Tag und darüber braucht,
nm durch eine Eisenbahnfahrt dorthin zu gelaugeu, liegen im nördlichen, öst-
lichen, südlichen oder westlichen Teile des Deutschen Reiches. Angabe, in
welchem Teile des Deutscheu Reiches das Heimatsland liegt. Bestimme die
Lage des Heimatsortes in dem Heimatslande!
*) Neben dem allgemeinen Gebrauch der Wandkarte ist die Benutzung von
Handkarten seitens der Schüler erforderlich. Beide Karten sollten Höhenschichten-
färben ausweisen und möglichst übereinstimmend bearbeitet sein.
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Landeskunde.
69
Deutsche Kunst (Skulpturarbeit): Nationaldenkmal auf dem Niederwald.
fruchtbaren Rheingau. Hier befinden sich an den Abhängen des Taunus die
Terrassenanlagen der Weinberge. — Von Bingen ab beginnt das Durchbruchsthal,
welches bis Bonn reicht. Es bildet das reizvollste deutsche Stromthal. Bis auf die
obstreiche Koblenzer Thalweitung ist das Thal von den Schieferfelsmauern eng ein-
geschlossen. Das „Binger Loch" und der am rechten Ufer keck vorspringende
Lurleiselsen waren ehedem der Schiffahrt recht gefährlich. Die hohen Uferwände
sind mit Rebengeländen geschmückt; düstere Burgruinen oder schöne Schlösser erheben
sich auf den Felsen, und im Thal, an den Strom geschmiegt, liegen altertümliche,
turmreiche Städtchen. Der auch im Sommer wasserreiche Strom ist stets belebt von
Schleppdampfern, Personendampfern und Kähnen. Zu beiden Seiten des Stromes
führen Eisenbahnlinien, auf denen sich ein reger Verkehr entfaltet.
4. Die Bewohner sind rheinfränkischer, in den nördlichen Ge-
bieten bereits sächsischer Abstammung und gehören größtenteils der kathv-
tischen Konfession an. Das Wupperthal ist dagegen rein evangelisch.
Bezüglich der Volksdichtigkeit sind die Bewohner sehr ungleichmäßig verteilt;
denn während z. B. im Koblenzer Becken auf 1 qkm 300 Leute wohnen,
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84 Landeskunde.
hing. Sie ist der eigentliche Badeplatz Helgolands. — Die Bewohner (2000)
gehören zum friesischen Stamme.
An den Küsten des Meeres entlang und um die Mündungen der Flüsse
ziehen sich die äußerst fruchtbaren Marschen hin. Sie liegen wenig höher
als das Meer und siud vor dem Ansturm desselben dnrch hohe, starke Damm-
bauten geschützt, die man Deiche nennt. Außerhalb der eingedeichten Marschen
liegen die Watten, flache Küstenstriche, die nur bei der Ebbe ganz bloß-
gelegt, bei der Flut iudes von der See bedeckt werden.
Die seichte Küste ist arm an Häfen. Die bedeutendsten Hafenstädte
liegen an den Flußmündungen oder im Hintergrunde der Meeresbuchten.
a) Freie und Hansastadt Hamburg (632 Tsd. E.) am rechten Ufer der
selbst für die größten Schiffe zugänglichen Unterelbe gelegen, bedeutendste See-
Handelsstadt und zweitgrößte Stadt des deutschen Reiches. Die zahlreichen See-
schiffe bringen aus fernen, fremden Ländern Kaffee und Thee, Baummolle und
Deutscher Seehafen: Der Hafen von Hamburg.
Farbhölzer und führen Getreide und Schlachtvieh, Glas- und Eisenwaren aus. Die
deutsche See warte (Reichsanstalt) veröffentlicht tägliche Wetterberichte und erläßt
Sturmwarnungen für die deutschen Küsten. Der Vorhafen von Hamburg ist das an
der Elbmündung gelegene Cuxhaven.
b) In Schleswig-Holstein: Altona, größte Stadt der Provinz, an der
Elbe abwärts Hamburg gelegen und mit diesem zusammenhängend; große Fabrik- und
Seehandelsstadt.
c) Im Gebiet der Freien und Hansastadt Bremen: Bremerhaven,
Vorhafen von Bremen, mit bedeutendem Seeverkehr.
d) In Hannover: Wilhemshaven, am Jahdebusen gelegen, deutscher
Kriegshafen an der Nordsee. — Ein den, alte Seehandelsstadt in der Nähe des
Dollart, durch Kanal mit demselben verbunden.
2. Das Gebiet zwischen der untern Elbe und der holländischen
Grenze ist in seinem westlichen Teile, der sich um die mittlere und untere
Ems lagert und bis zur Weser ausbreitet, das Gebiet der großen
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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— 40 —
Der Vodensee*) (398 m über dem Meer, 540 «jkm groß), kaiin trotz seiner-
Lage zwischen der Schweizer und oberdeutschen Hochebene doch seiner ganzen
Natur nach zum Alpengebiet gerechnet werden. Treten auch nur im Sl. die
Alpen von St. Gallen und Appenzell ziemlich nahe an den See heran, so hat
man doch von dem n. Ufer bereits eine schöne Aussicht aus die nicht ferne
Alpenwelt, aus welcher besonders der Säntis mit Umgebung imposant hervor-
tritt. Auch drangen einst in früheren Zeiten, als der See noch eine größere
Ausdehnung hatte, seine östlichen und südöstlichen Wasser tief ins Innere der
Alpenwelt ein.
Die größte Länge des Sees, durch eine Linie über Lindau, Friedrichs-
Hafen und Uberlingen bestimmt, beträgt 66 km, die größte Breite, zwischen
Lindau und Rohrschach 22 km**). Im sö. Becken steigt die Tiefe bis zu 252 m
hinab. Nach der Schneeschmelze, in oen Sommermonaten, schwillt der See an
und erhebt sich nicht selten 3 m über seinen niedrigsten Wasserstand; dann fällt
er wieder. Nur selten hemmt der Winter den Verkehr. In den letzten 4 Jahr-
bunderten war der See nur sechsmal ganz zugefroren, zuletzt 1830 und 18-80.
Der blaßgrünliche oder bläuliche Wasserspiegel, der sich manchmal vollkommen
eben und ruhig ausbreitet, wird am heftigsten erregt, wenn der Föhn mit dem
Unterwinde kämpft.
Der Bodensee wird seiner Größe wegen auch ivohl „schwäbisches Meer"
genannt. In der Tat ist er unter allen deutschen Binnenseen allein geeignet^
dem Beschauer das Meer zu versinnbildlichen. „Da gibt es noch rechte Stürme,
hohe Flut, 6 m hohe Wellen! Da spielen die Gewässer in den prachtvollsten
Tönen, verschwindet bei trübem Tage das jenseitige Ufer in der scheinbar grenzen-
losen Wasserwelt, taucht am klaren Abend der große Sonnenball glühend in die
Wogen; da schaukeln sich schreiende Möwenschwärme und die schwarzen Wasser-
Hühner zu Hunderten auf den weißen Schaumkämmen der Wellen, kreist der
Seeadler über dem laichenden Weißfisch, ziehen die Fischer den zentnerschweren
Wels an den Kahn. Da fliegen mit gewaltigen Segeln die schweren Lastschiffe
im Winde dahin, und brausend ziehen dreißig Dampfer von fünf Gesellschaften
nach allen Seiten ihre glitzernden Furchen — ein Leben wie an der Seeküste."
Die nw. Bucht heißt Üb erlinger See, so genannt nach der am n.
Ufer gelegenen alten Reichsstadt Überlingen. In demselben liegt die liebliche
Insel Mainau, 4 km im Umfange, durch eine Brücke nnt dem festen Lande
verbunden. Durch den Rhein wird der Bodensee bei Konstanz mit dem
Untersee oder Zellersee verbunden, in welchem die Insel Reichenau
liegt, ehedem berühmt durch ihre reiche Benediktinerabtei. Der Untersee ist von
sehr geringer Tiefe.
Seit alters her w a r d e r B o d e n f e e f ü r A n s i e d e l u n g, Handel
und Verkehr sehr wichtig. Ausgefundene Reste von^Psahlbauten deuten
auf das Alter der Siedelungen. Das schuppige Volk der Tiefe lockte von jeher
zum Fischfang. Zu den trefflichen Fischen gehören Seeforellen, Maränen und
Blauelfchen. Schon die Römer hielten eine Flotille auf dem See. ^Später
diente er bedeutenden! Warentransport aus den Donauländern nach der Schweiz,
aus Italien und Tirol rheinabwärts. Heute berührt der See mit seinen Ufern
5 Staaten: Bayern, Württemberg, Baden, die Schweiz und österreichisches Gebiet.
Die zahlreichen, zum Teil recht alten Städte am Bodensee gehen infolge der
am See zusammentreffenden, ihn gürtelhaft umschlingenden Schienenwege neuer
Blüte entgegen. — Die von mildem Klima begünstigten Ufergegenden mit ihren
auf sanft ansteigendem Gelände sich hinziehenden Obstgärten und Rebenhügeln,
den schönen Aussichtspunkten und fruchtbaren Auen gehören zu den schönsten
i Landschaften des deutschen Reichs.
*) Der See hat seinen Namen von dem alten Schlosse Bodman neben
dem gleichnamigen Flecken am Überlinger See. Zur Zeit der Karolinger war
dieses Schloß ein königliches Besitztum.
**) Die mittlere Länge von 45 km mit der Mittlern Breite von 12 km
multipliziert, ergibt den genauen Flächeninhalt des Sees, 540 qkm.
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— 105
Stromstrecke der oberrheinischen Tiefebene sich die Schiffahrt für sich entwickelte,
ehe sie durch die Befchiffung des Dmchbruchtales eine einheitliche wurde. An
der Öffnung des Binger Rheintores sollen bereits Drusus, Karl der Große und
verschiedene Mainzer Erzbifchöfe gearbeitet haben; im 17. Jahrhundert kam es
darin durch die Bemühungen Frankfurter Handelsfirmen ein gut Stück vorwärts;
doch war die Stelle nur bei hohem Wasserstande ohne Gefahr zu passieren und
die Bergfahrt felten möglich. Die meisten der stromaufwärts kommenden Schiffe
mußten" vor dem Binger Loch gelöscht und die Waren zu Lande nach Mainz,
oder Frankfurt gebracht werden. Erst seitdem Preußen hier am Rhein festen
Fuß gefaßt hat, sind durch Sprengungen im Flußbett, die bis in die neuste Zeit
fortgesetzt wurden, alle Verkehrsschranken gefallen und der Schiffahrt vollkommen
freie Bahn gebrochen.
Die zweite gefährliche Stelle des Durchbrnchtales war derlnrlei-
feljen*), der am rechten User unterhalb Oberwesel an der engsten
Stelle des Tales keck und wild vorspringt. Durch Heines Lied hat
dieser Felsen mit seinem 15 maligen Echo Volkstümlichkeit erlangt.
Unvorsichtig geführte Schiffe laufen auch heute noch Gesahr, zerschellt
zu werden. Heute führt durch den Lurleiselsen ein Tunnel der Rhein-
L a h n b a h n.
Bon der Natur des südlichen Durchbruchstales entwirst Kutzen folgende
farbenprächtige Schilderung: „Wer bei dem herrlichen Felsentore bei Bingen in
die lange, enge Schlucht hineinblickt, welche hier den Rhein gegen Koblenz hin
zu durchströmen beginnt, wer aus dem breiten rheinischen Oberlande, vielleicht
durch die schönen Porphyrberge der heiteren Pfalz verwöhnt, hier stromabwärts
fährt, dem wird sich hier das Gepräge des hoch emporstarrenden, ernsten und
grauen Schiefergebirges fast zum Wilden und Erhabenen steigern, zumal wenn
ein grau bedeckter Himmel den Felsgebilden eine düstere, unheimliche Färbung
verleiht. Aber setzt er, begünstigt von heiterem Wetter, in dem Stromtale die
Reife weiter fort, so mildert sich der erste Eindruck und wird durch andere
Überraschungen und Genüsse überboten. Das Auge wird gefesselt durch die
prachtvollste, wechselnde Beleuchtung mit ihrem scharfen Schatten und bunten
Lichtblicken auf Fels und Land; durch den Anblick der Weinrebe, die in weit-
gedehnten Geländen Felsengebilde voll Mannigfaltigkeit von unten bis oben
überkleidet, oder doch in einzelnen Gruppen zwischen Busch und Stein sich
einen Platz errungen hat, durch die Pracht edler Obstbäume und stattlicher, ost
mit Efeu umwundener Walnußbäume, die mit dem Zauber ihrer Blütenfülle
im Frühjahr, dem schwerbelastenden Segen im Herbste an ähnliche Erscheinungen
beglückter Gaue des südlichen Tirol erinnern: durch die, wenn auch im Innern
weniger freundlichen und wohnlichen, doch vom Strome aus um so malerischer
sich darstellenden Dörfer, Flecken, kleinen Städte, sei es, daß sie einzeln oder
im Zusammenhange oder in naher Nachbarschaft, daß sie auf einem Vorsprunge
dicht am Ufer hingestreckt sich zeigen oder in den Ausgang eines Seitentals
hineinziehen: durch Kirchen edelsten Stils oder durch deren ehrwürdige Ruinen,
welche die Erinnerung an eine der herrlichsten Blütezeiten der Baukunst wecken,
und aus deren schön profilierten Fenster- und Gewölbebogen (z. B. an der
Wernerskirche bei Bacharach), bewundernswürdige Fernsichten sich öfters so
trefflich einrahmen; durch die freundlichen, zierlichen und stattlichen Villen,
Schlösser und ihrem Versall entrissenen Burgruinen; durch die grinsenden Über-
*) Von den zahlreichen Deutungen dieses Namens ist keine recht sicher.
Einige seien hier angeführt. Lei bedeutet im Gebiete des Schiefergebirges
Schieferstein: lor, keltisch =-• Ecke, demnach der ganze Name Felsen ecke. —
Lore = Schiefer, lei = Fels, also Schieferfels. —Lurleien bedeutet
nachsprechen; demnach würde sich der Name auf das Echo des Felsens be-
ziehen. —^Lören = heulen, laut jammern (so noch in Luthers Werken)^
Lore = Totengesang, lei = Felsen, also Totengesangfelsen. Diese Er-
klärung bezieht sich auf den Todesschrei der versinkenden Fifcher. — Andere
Erklärungen sind Lauerfels und um brandete Felsklippe.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
— 154 —
in der Hauptsache vor dem Sande schützt. Ter Mensch ahmt dies Beispiel der
ijiatut" nach, indem er unter großen Kosten sogenannte Vordünen anlegt und
mit Strandgräsern bepflanzt. Begünstigen Niederschläge diese Arbeiten, zerstören
nicht starke Stürme das armselige'menschenwerk, so wird der Düne Zeit gegeben,
sich mit Pflanzenwuchs zu bekleiden, ja mit Wald zu bedecken. Den Hauptbestand-
teil desselben bildet die Strandkiefer-, die Zwischenräume am Boden bekleiden sich
mit Heidekraut, Preißelbeeren und Bärentrauben. Wird indes diese Pflanzendecke
durch die Natur oder durch Menschenhand an einer Stelle gestört, so gewinnt
der Wind einen Angriffspunkt und beginnt aufs neue seine zerstörende Tätigkeit.
Eine eigenartige Erscheinung mancher Dllnen ist der sogenannte Trieb-
sand. Solche Dünen erscheinen nur an ihrer Oberfläche trocken; im Innern
ist der Sand feucht und mit Grundwasser durchsetzt. Dieses findet sich in
Menge in den Senkungen zwischen derartigen Dünen. Infolge der Capillarität
steigt das Wasser zwischen den feinen Sandkörnlein wie in engen Röhrchen hoch
empor. Es gibt Stellen, wo unter einer trügerischen, dünnen Sandschicht der
untere Boden so von Wasser durchtränkt ist, daß Menschen und Tiere, wenn
sie darauf treten, durchbrechen und unrettbar verloren sind, wenn nicht schleunigst
>>ilfe herbeigeschafft wird. Andererseits erhöht die Feuchtigkeit die Fähigkeit der
Dünen, sich mit Vegetation zu bekleiden und so fict) zu festigen.
In kulturgeographischer Hinsicht spielt die Ostseeküste eine
bedeutende Rolle im Leben des deutschen Volkes. Die großen Hafenplätze
vermitteln den Warenverkehr der Ostsee-Hinterländer mit dem Weltmarkt. (sjic
«ftnb die Ausfuhrtore für die Erzeugnisse der Heimat und versorgen andererseits
das Binnenland mit Kolonialwaren und sonstigen überseeischen Produkten,
'sowie mit Erzeugnissen der Industrie. Hier wohnen die großen Handelsherren,
-deren Segel- und Dampfschiffe das Meer befahren, um Güter der Heimat und
der Fremde zu befrachten. Zwar war im Mittelalter der Ostseehandel bedeutender
als heute. Zu den Zeiten der Hansa war die Ostsee das wichtigste Handels-
meer im Norden Europas. Da kam die Zeit der großen Entdeckungen am
-Ende des 15. Jahrhunderts, die den europäischen Westmächten die Herrschaft
auf dem Weltmeere eröffnete und den deutschen Seehandel in erster Linie auf
die Nordseeküste wies. Seitdem verlor die Ostsee an Bedeutung. Doch wird
sie nunmehr durch den neuen Kaiser-Wilhelm-Kanal immer mehr
dem Weltverkehr erschlossen.
Der Ostseestrand selbst ist in der Regel stark bevölkert, da er den
'Ansiedlern mannigfache Nahrungsquellen bietet. In erster Linie ist die
Fischerei zu erwähnen. Ans Booten und größern Küstenschiffen
fahren die Fischer in das Meer hinaus, um Heringe und Sprotten/
Flnndern, Steinbutten, Schellfische, Dorsche und anderes Seegetier zu
sangen. Immer mehr sinnt man auf Mittel und Wege, diese gesunde,
nahrhafte und billige Fischnahrung den Bewohnern des Binnenlandes
zugänglich und mehr als bisher zu einem Volksncihrungsmittel zu
machen. — Im letzten Jahrhundert haben sich ferner unscheinbare
Fischerdörfer an der Ostsee in schmucke Badeorte verwandelt, in
denen sich alljährlich viele Tausende von Gästen einfinden, uni in den
Waldungen an der Küste und im Wasser der Bäder Heilung, Erholung
und Erfrischung zu suchen. — Auch die Bern stein gewinnung,
die sich nicht nur auf das Samland beschränkt, sondern von Stralsund
bis Memel verbreitet ist, bildet nebst der dadurch begründeten Bern-
stein-Jndustrie eine nennenswerte Erwerbsquelle der Küstenbewohner.
Es ist selbstverständlich, daß man seit jeher darauf bedacht war,
den Ostseestrand durch feste Plätze vor feindlichen Angriffen zu schützen.
Seefestuugen^) und Strandbefestignngen^) erheben sich an verschiedenen
*) Königsberg, Pillan, Danzig, Swinemünde, Friedrichsort bei Kiel.
**) Memel, Neufahrwasser und Weichselmünde.
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Extrahierte Ortsnamen: Ostsee Europas Ostsee Stralsund Königsberg Danzig Kiel
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auch hier sein Spiel mit dem losen Sande und läßt trotz der Feuchtigkeit der
Luft keinen Pslanzenschmuck aufkommen. Nur hie und 'da erblickt das Auge
kümmerliche Haffweiden mit spärlichem Grün. Zahlreiche Ortschaften wurden
in den letzten 150 Jahren von den Wanderdünen begraben, so Neegeln^
Carweiten, Kunzen, Stangenwalde, Alt- und Neu-Lattenwalde u. a. m. Oft
feiern diese sandbegrabenen Fischerdörfer späterhin eine eigenartige Auferstehung.
Das ansehnliche Kirchdorf Kunzen mit feinem Laubwald ' wurde in den
dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts ein Opfer der Wanderdüne, die jetzt
fo weit nach O. vorgerückt ist, daß die Ruinen der Kirche und einiger Häuser
auf der Westseite der Düne bloßgelegt sind. Gegenwärtig sind Perwelk uni>
Preil und besonders das in der Mitte der Nehrung gelegene Pilkoppen
bedroht. Es ist ein seltsam schauriger Anblick, wie der mächtige Sandberg über
dem armen Orte hängt, gleich einem grausamen Raubtier, das bei seinem sicheren
Opfer lagert. Und rings um die einzelnen Häusern wogt bereits der tiefe
Sand wie ein schäumendes Meer. - Mit aller Umsicht und Ausdauer sucht
man die Befestigung und Bepflanzung der Dünen zu betreiben, doch erst
seit 1886 mit langsam fortschreitendem Erfolge. Und doch war noch die Düne
vor 200 Jahren' durchweg mit Wald bedeckt. In alten Zeiten waren die
Bedingungen für den Baumwuchs günstiger als heute. Die Erdscholle, die das
kurische Haff trägt, lag wesentlich höher, und die Wogen brachen sich infolgedessen
an dem festen Diluvialboden und lieferten nur geringe Mengen Flugsand.
So konnte sich ein zusammenhängender grüner Waldstreifen auf der Nehrung
bilden. Auf diese Hebung solgte eine Senkung, die bis in unser Jahrhundert
andauert, so daß nicht nur der Diluvialboden, sondern auch weite Strecken des
Alluviums unter den Meeresspiegel sanken. So singen denn die Wogen am
flachen Strande, unterstützt vom Winde, ihre Arbeit an, gefördert vom Menschen
durch unkluge Abholzungen. Noch im Anfange des 19. Jahrhunderts führte
die Poststraße von Königsberg nach Memel und weiter nach Rußland über die
kurische Nehrung. Heute sind von jener Waldherrlichkeit nur kümmerliche Reste
übrig, doch ist das reizende Schwarzort im n. Drittel der Nehrung eine gar-
liebliche Oase in der Wüste. In diesem Badeorte könnte ein Fremder Wochen-
lang im Waldschatten uralter Bäume aus schwellendem Moose in Frieden
weilen, ohne zu ahnen, welche gewaltigen Naturmächte jenseits des Waldes ihr
Spiel treiben und welch grausige Ode als ihr Werk ihn umlagert.
Der samländische Strand bildet insonderheit im N. die reichste
Abwechslung: steile User, mit Buschwerk reich bewachsen, jäh
abfallende, kahle Berge, sanft aufsteigende Höhen und wildzerrissene
Schluchten, darunter die malerische Wolfsschlucht bei Warnicken.
Hie und da brechen sich die Wellen an großen Steinblöcken, die im
Wasser in der Nähe des Strandes liegen. Zahlreiche Seebäder
umsäumen den Strand von Cranz bis Neuhäuser. — Insonder-
heit ist aber der samländische Strand durch seinen Bernstein bekannt^
der bereits im Altertum geschäht war. Die gesamte Bernsteinnutzung
ist vom Staate Verpachtet.*) Die Art der Bernsteingewinnung ist mannig-
saltig. Wenn starke Nordweststürme das Meer bis zu seinem Grunde auf-
wühlen, werden größere und kleinere Bernsteinstücke aus der „blauen Erde",,
der ursprünglichen Lagerstätte des Bernsteins, losgespült und in Qang- und
Seegrasmassen ans User geworfen. Man zieht dieselben ans Land und sucht
den "Bernstein heraus. Diese Art der Gewinnung nennt man Bernfteinlesen.
Ferner gewinnt man das kostbare Mineral durch Fischen und .tauchen.
Am ergiebigsten ist aber das Bern st ei nb e rg w e rk Palmnicken an der
Westküste des Samlands.
Im Innern des Samlands erhebt sich der Galtgarben (Ho 111),
von dem man eine weite Rundsicht in das Land genießt. Im fernen
So. erblickt man die Türme von Königsberg, im S. wie einen Silberstreifen
*) Der Staat zieht daraus eine Jahreseinnahme von etwa 750000 Mk.
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Gesichtskreis des Beobachters. Während die größte Länge der Insel nur 50 kmr
die Breite 40 km beträgt, hat doch die Küstenlinie Rügens eine Ausdehnung
von 210 km. In zahlreichen Buchten dringt das Meer tief ins Land, so daß
kleinere und größere Halbinseln gebildet und Inseln vom Hauptlande abge-
gliedert werden. Die wichtigsten Halbinseln sind das im N. gelegene Wittow,
das mittlere Jasmund und das sö. Mönch gut. Hier haben die Bewohner-
in Sprache, Sitten und Trachten noch viel Eigenartiges bewahrt. — Biel be-
sucht sind die steilen Kreidefelsen an der Nord- und Nordoftküste der Insel.
Im Vorgebirge Arkona auf Wittow steigt das Land bis 60 m aus dem
Meere empor. Die steil abfallenden Kalkfelsen des Vorgebirges sind von
Tausenden von Möven, Uferschwalben. Tauchern und Strandläusern umschwärmt.
Hier stand einst das Heiligtum des vierköpsigen Wendengottes Swantewit und
rings um dasselbe die Feste Arkona, gleichsam die Tempelburg und der Zu-
sluchtsort der Rugier zu Zeiten der Kriegsgefahr. König Waldemar I. von
Dänemark zerstörte 1168 das ganze Heiligtum. Jetzt erhebt sich an jener Stelle
ein Leuchtturm. — Noch großartiger gestaltet sich die Küste im Nordosten der
Halbinsel Jasmund. Hier steigt die Insel im Königsstuhl etwa 130 m über
die blaue Fläche des Meeres empor und zeigt an einzelnen Abstufungen noch
alte Strandlinien des Meeres. Daher heißt hier die Küste auch Stubben-
kämm er*), durch ihre hellschimmernden Kreidefelsen weit und breit bekannt.
In der Nähe finden sich jene herrlichen Wälder, Höhen, Täler und Gewässer,
die von der Sage so ehrfurchtsvoll behandelt werden. Dort wölben hohe
Buchen ihre Blätterkronen; der „Herthasee" liegt in feierlicher Ruhe neben
der „Herthaburg", einer alten, mit Rasen bedeckten Schanze, und sagenhafte
Opfersteine (erratische Blöcke) mit ihren „Blutrinnen" liegen im Waldesdunkel
verborgen.
S. von Stubbenkammer liegt der besuchte Badeort Saßnitz, ehedem eine
Lieblingssommerfrische unserer Kaiserin und ihrer Kinder, durch Eisenbahn über
Bergen mit der Trajektdampferfähre gegenüber Stralsund verbunden. Eine
Fahrt durch Rügen bietet eine Fülle wechselvoller Eindrücke. Weithin dehnen
sich fruchtbare Ackerfelder, saftige Wiesengründe, lichte Haine und dunkle Buchen-
wälder aus. Aus magern Heidestrecken steigen dann wieder zahlreiche Hünen-
gräber empor, umgeben von Wachholderhecken und Heidegestrüpp. Inmitten
der Flur liegen an Weihern und Bächen schmucke Gehöfte und geschmackvoll
erbaute Schlösser, in den Waldlichtungen Jagd- und Forsthäuser. Denn der
reiche Adel auf Rügen ist lebensfroh und jagdlustig. Daneben wird die Land-
Wirtschaft von Pächtern, größern und kleinen Grundbesitzern und Tagelöhnern
betrieben. Die Küstenbewohner lohnt reicher Heringssang, der für sie eine
ähnliche Bedeutung hat wie für den Weinbauer am Rhein und an der Mosel
die Weinlese. Wegen seiner landschaftlichen Schönheiten und Seebäder wird
Rügen alljährlich von zahlreichen Fremden besucht.
Ortskunde.
Rügenwalde, (von einem rügenschen Fürsten 1270 gegründet) unweit'
der Wippermündung gelegen, bedeutend als Ausfuhrort für „pommersche
Gänsebrüste". Kolberg mit seinem Hafen Kolberg er Münde, be-
suchtes Seebad unweit der Persantemündnng, hat auch Seeverkehr.
Am bekanntesten ist Kolberg durch seine heldenmütige Verteidigung zur
Zeit des unglücklichen Krieges. — Stettin (211 Tsd. (£.), Hauptstadt-
der Provinz, bedeutendster Hafenplatz der deutschen Ostsee-
küste, erster Seehandelsplatz Preußens, Hauptstavelplatz für
die Oderprovinzen, Ostseehafen für Berlin. Hauptausfuhrstoffe
sind Getreide, Sprit, Ölfrüchte, Zink, Holz; eingeführt werden Haupt-
sächlich Steinkohlen, Roheisen, Heringe, Zucker, Petroleum und Kolonial-
*) Stubben = Stusen, Kammer — Fels.
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